Zweigelt? Blauer Montag? Präzisierungen.

Die Tatsache, dass das Abgezweigelt-Aktivistenteam NOCH eine reine Männerrunde ist, hätte einen feministischen Shitstorm verdient. Winzerinnnen,Wirtinnen und Weintrinkerinnen, begrabt diese peinliche Homogenität und reiht euch ein in die Entzweiglungsfront. Sitzend von links nach rechts: Robert Streibel, Historiker; Walter Eckhart, Autor und Biobauer; Friedl Umschaid, Winzer aus Herrnbaumgarten. Stehend von links nach rechts: Christian Gmeiner, Künstler aus Krems; Erich Félix Mautner, Daniel Böswirth, Robert Sommer (alle Institut ohne direkte Eigenschaften). © Ludwig Schedl

Mit der«abgezweigelt»-Aktion, insbesondere mit derem satirischen Beitrag, der symbolischen Umbenennung der Rebsorte Zweigelt in «Bauer Montag», hat das Perinetkeller-Team erreicht, was es erreichen wollte: eine große mediale Aufmerksamkeit für das Anliegen, mit der Aufarbeitung der Arisierung der österreichischen Weinwirtschaft 1938 bis 1945 zu beginnen. Bei der mit 55jähriger Verspätung aufgeflammten Debatte geht es auch um die Frage, wie es dem Weinpapst Lenz Moser und dessen politischen Umfeld in den «sozialdemokratischen» 70-Jahren gelingen konnte, «Zweigelt» als Rebsortenname durchzusetzen und damit einen leidenschaftlichen Nationalsozialisten und Antisemiten so zu würdigen, wie es deutlicher nicht hätte geschehen können.

Die Medienresonanz, vom «Einserkastl» im Standard bis zum Artikel im Augustin, wurde von einem ultrakonservativen Shitstorm in erwarteter Quantität und Qualität begleitet. Man braucht ihn hier nicht zu dokumentieren, denn in einem Kommentar der Mutter aller Hass-Postings, der faschistischen Onlinezeitung unzensuriert.at, sind die meisten Ingredienzien dieses Shitstorms versammelt –Originalschreibe am Ende dieses Textes.
Der diskutable Teil der Kritik bezieht sich auf den vorgeschlagenen alternativen Namen «Blauer Montag». Eine Presseaussendung des «Instituts ohne direkte Eigenschaften« (Perinetkeller-Team) sollte klar machen, dass es hier in erster Linie um eine ironische Intervention geht. Das herüberzubringen, ist nicht ganz geglückt. Natürlich ist ein «Blauer Montag» nicht in großem Stil vermarktbar, anders als in großstädtischen Nischen alternativer Gastronomie. Hinter dem «Blauen Montag»-Vorstoß steckt vielmehr die Befürchtung, dass gerade das Beharren auf der Bezeichnung «Zweigelt» die Vermarktung dieser österreichischen Weinqualität in naher Zukunft immens erschwert. Denn auf vielen der internationalen Märkte, die der Zweigelt-Wein sich erfreulicher Wese erobert hat, reagieren die KonsumentInnen sofort, wenn die Wahrheit über den Namensgeber bekannt wird. Die unkomplizierteste Vorbeugung wäre die Rückkehr zum früheren Namen «Rotburger».

Viele der Hass-Poster stellen eine Verbindung zwischen der «abgezweigelt»-Aktion und dem Sektenfüher Otto Muehl her, um diese Aktion zu diskreditieren. Suggeriert wird, dass vermeintliche Freunde eines «Kinderschänders» potentiell ebensolche seien und dass im Keller, der Muehl und Nitsch als Atelier diente, strafbare Handlungen begangen worden seien. Wer das Gesamtprogramm des seit fast drei Jahren bestehenden «Perinetkeller neu» kennt, weiß: Die VeranstalterInnen nehmen gerade die aufregende Kellergeschichte zum Anlass, das Phänomen der Unterordnung «antiautoritärer» AktivistInnen unter autoritärste Regeln (was sich allerdings erst zehn Jahre nach dem Ende der Kellerhappenings manifestierte) zu reflektieren. Wie sich ein avantgardistischer Künstler in einen diktatorischen Führer einer zu Sekte entgleisten Kommune verwandeln konnte, ist Thema einer eigenen Informationsserie. So gesehen gibt es wohl keinen einzigen Ort in Wien, wo die Figur Muehl mehr auf dem Prüfstand steht als im Perinetkeller.

Der erwähnte Text aus unzensuriert at.:
Skurrile Runde im Kinderschänderkeller fordert Umbenennung von Zweigelt
Es ist eine skurrile und illustre Runde, die da regelmäßig im Keller des „Künstlers“ Otto Muehl zusammenkommt, der in den 90iger-Jahren wegen Kindesmissbrauchs und Verstoßes gegen das Suchtgiftgesetz zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde. Als Verein will sie sich nicht bezeichnen lassen, diese Zusammenkunft von angeblich intellektuellen Denkern. In die Überschriftenzeile des heimischen Staatsfunkes haben sie es trotzdem geschafft. Das besagte „Institut ohne direkte Eigenschaften“, wie sich die trinkfreudigen Hintermänner nennen, fordern nämlich die Umbenennung des Zweigelts. Er habe durch seinen Schöpfer Friedrich Zweigelt nämlich eine nationalsozialistische Vergangenheit. Durch die spontan inszenierte Aktion „abgezweigelt“ sollte der Rotwein künftig unter dem Namen „Blauer Montag“ verkauft werden. Bisher haben allerdings erst zwei Winzer zugesagt. Friedl Umschaid aus dem nördlichen Weinviertel und Maximillian Brustbauer aus der Wachau. Überdies wird gerade von „Österreich Wein Marketing“ eine Geschichte des Weines in Österreich aufgearbeitet und dort auch unter anderem die Zeit des Nationalsozialismus beleuchtet.
Dem aber nicht genug, fordert die Runde im Sektenkeller nun auch noch die gänzliche Streichung des Zweigelts aus der Geschichte Österreichs. Auch der nach ihm benannte Preis sollte gestrichen werden, die Weinwirtschaft sich nicht länger über die grauenhafte Vergangenheit des 1922 erstmals erfolgreichen Wissenschaftlers ausschweigen. Damals gelang erstmals eine Kreuzung aus St. Laurent und Blaufränkisch. Erst nach dem Tod von Friedrich Zweigelt wurde die ursprüngliche Rebsorte „Rotburgunder“ schließlich 1975 nach ihm benannt.
Der im Keller von Muehl eingemietete Verein sieht darin eine Schande für die Republik. Nicht allerdings um seinen wohl nicht zufällig ausgewählten Treffpunkt. Bis 1970 versammelte der Eigentümer dort allerhand fragwürdige Existenzen wie etwa Hermann Nietsch, der dort erstmals mit Menschenblut herumspritzte. Später wurde sowohl Muehl als auch seine Ehefrau, die dort eine Kommune betrieben und sich regelmäßig sogar an Kleinkindern vergingen, in Eisenstadt verurteilt.